Event Report
Die Gesänge des Herrn S.
Snow Jazz im Sägewerk, Kapitel 3 - Sergey Starostin’s Zhyli-Byli
Von Thomas Hein
Das abschließende Snow Jazz Gastein-Wochenende begann am Freitagabend auf der Homebase des Festivals, dem Sägewerk, mit Sergey Starostin’s „Zyli-Byli“, einem Quartett, das neben dem Bandleader aus dem Holzbläser Sergey Klevensky, der Sängerin und Drehleierspielerin Taisia Krasnopevtseva und dem aus Moldawien stammenden Marian Caldararu an diversen, aus dessen Kulturkreis stammenden Trommeln („Ethnic Percussion“) besteht. Der bekannte russische Holzbläser war diesmal vor allem als Sänger zu erleben, wie aus einer großen Ferne, aus den weiten Ebenen Asiens, ertönten die von ihm gesungenen Lieder.
Das Entdecken des Unbekannten
Unsere westliche Musikszene wird seit vielen Jahren sehr fleißig mit Musiken der ganzen Welt versorgt, da wurde vieles Unbekannte mehr oder weniger vertraut. Umso überraschender waren da die Weltenklänge des Quartetts, die auf sehr einfache, raue Weise ihren Platz in den Ohren der ZuhörerInnen suchten. Wenn man die Augen schloss, rückten die Töne sogar aus dem Gefüge der Gegenwart, erinnerten an eine lang vergangene Zeit. Dazu trugen nicht nur die zu entdeckenden Spielarten von Instrumenten ein, ob es die unterschiedlichen Flöten von Sergey Klevensky, der auch an einer spezifischen Form des Dudelsackes zu erleben war, oder es die leicht wehende, wechselnde Gestalt annehmende Trommelspur von Marian Caldararu, die dieser an der Seite der Melodien entwarf. Die ausdrucksstarke Stimme Sergey Starostins, sein rufender Gesang, ließ die Lieder wie archaische Erzählungen auf ihr Publikum wirken, die akustisch über Generationen auf diese Art weitergegeben werden. Taisia Krasnopevtseva nahm dabei den weiblichen, die männliche Stimme umrankenden Gegenpart ein, wie ein zweiter heller Rosenzweig, der sich um den dunkleren windet. Vorangestellt oder ein wenig nachhinkend, färbte sie so an den Stimmungen mit, in einem unbegleiteten „Lullaby“ erzählte sie mit zarten Tönen ihre eigene Geschichte, wie das wohl in jeder Kultur auf ähnliche Weise geschieht, wie Kinder in den Schlaf gesungen werden.
Sergej Starostin, der auch auf der Gusli, einem altrussischen Saiteninstrument und dem Naturhorn, dem Rojzok zu hören war, stand als sängerischer Pol im Zentrum des Konzertes, das dem begleitenden und ineinander greifen der fremdartigen Meldodien geprägt war. Dem Veranstalter gelang damit ein eindrucksvoller volks-/weltmusikalischer Konzertabend, der seine Energien aus gewachsenen Musiktraditionen bezog, deren Formensprache auch in neu geschaffenen Liedern weiterlebt. Nicht komplexe breite Klänge, sondern die leicht verschobenen und in Beziehung gesetzten Töne sorgten für den besonderen Zauber, die uns mit einer entdeckenswerten ethnischen Musik eines weiten „östlichen“ Landes „bekannt machten“. Das Moscow Art Trio, wieder mit Sergey Starostin, wird – nur einen Tag später - am selben Ort die Geschichte weitererzählen.