SNOW JAZZ GASTEIN

Craig Taborn "solo & trio"

Sa, 24. März 2012 - 20:30
Sägewerk
Craig Taborn
piano
Thomas Morgan
bass
Gerald Cleaver
drums

Event Report

Eine Frage der Perspektiven

Der Pianist Craig Taborn als Solist und mit Trio im Sägewerk Bad Hofgastein

Wie ein unbekanntes buntes, quer liegendes Mikadospiel erscheinen in jedem Jahr die einzelnen Programmpunkte vor dem Festivalstart, um dann gegen Ende immer mehr Zusammenhänge und interessante Vergleiche sicht- und hörbar zu machen. Stand das Saxophon beim New York-Thema seit Beginn massiv im Zentrum, wurde es in der zweiten Woche fließend vom Klavier und anderen Keys abgelöst. Der Samstag brachte dann – eine seltene Gelegenheit – dieses in seinen zwei Essenzen auf die Bühne – als klassisches Klaviertrio und zuvor – ebenso herausfordernd - als Soloinstrument, Craig Taborn saß am Klavierstuhl.

Vielen amerikanischen Musikern läuft ein großer Ruf voraus, vielleicht auch „Part of the Game“ zur besseren internationalen Vermarktung, doch irgendwann muss dieser dann eingelöst werden. Eine Soloklavierplatte bei Manfred Eichers ECM-Records als doch jüngerer Künstler aufzunehmen, drückt doch einiges an Wertschätzung des Labelchefts aus, deren Rechtmäßigkeit Craig Taborn im Sägewerk vom ersten Ton an eindrücklich unter Beweis stellte. Es begann – Ton um Ton um Ton – jeder schwang lang aus, wieder drei Töne – ebenso lang, dann zweimal zwei Töne – Klang, als müsse sich Taborn seiner Welt langsam annähern um sie später zu erbauen, die Töne aus dem Klavier erst sorgfältig wählen, ebenso überraschend für ihn wie für die ZuhörerInnen. Seine musikalische Welt entfaltet sich, verbirgt wieder, gibt dann etwas frei mit diesen unendlich gedehnten Tönen und Klängen, nicht umsonst nennt sich das Label auch European Contemporary Music – und nicht Jazz. Doch wo viele im Publikum, die selten zuvor solche Intros erlebt hatten, Geduld aufbringen mussten, bis Taborn seine musikalischen Bausteine enger aneinanderzusetzen begann, wurden dafür im Laufe seines Soloteils ausgiebig belohnt. Ein Ton- und Klangkosmos, wie man ihn sonst nur vom Klavier-Großmeister des Labels - Keith Jarrett – kennt, immer wie jener im Augenblick suchend und findend, höchste Risikobereitschaft, um neue formale und sehr persönliche Wege zu gehen. Manchmal führten diese durchaus auch in Jazzidiome, ohne diese phrasenhaft zu zitieren, sondern diese aufzurauen, zu verfremden, zu verändern.

Dies zog sich auch in den nahtlos übergehenden Trioteil des Konzertes, in dem ihm Thomas Morgen am Kontrabass und Gerald Cleaver am Schlagzeug ebenbürtige Kollegen zur Seite standen. Selten hat man Musiker zuvor so jenseits der herrschenden Jazztrio-Spielweisen agieren gesehen, ungewöhnlich transparent und demokratisch im gleichzeitigen Spiel, in dem es keine Begleiter oder Sideman gab, flächig an diesen Klängen arbeitend, sie schichtend und dann wieder feine oder harte Striche parallel oder kontrastierend durch diese auf- und abschwellenden Blöcke zu ziehen - da waren die solistischen Wege in der Perspektive der Musik nur notwendiger Teil einer großen Gesamtidee.

Das alles war so ungehört, so aufregend in neue formale Richtungen aufbrechend, das der Begeisterung bei den BesucherInnen dieses denkwürdigen Abends im Sägewerk sichtlich auch große Verwunderung innewohnte, was bei diesem Konzert wirklich geschehen war. Man wird in den nächsten Jahren mit Sicherheit von Craig Taborn – und seinem Trio – noch Großes zu hören bekommen, dem Ruf wurden diesmal die drei mehr als nur gerecht - ein Höhepunkt - wäre dafür nur ein weitaus zu gering bemessener Ausdruck.

von Thomas Hein