Einige Kriterien sind unerlässlich, wenn man von Jazz sprechen will: Die Musik sollte doch weitestgehend, aber nicht ausschließlich improvisiert sein. Sie muss auch rhythmisch sein und zwar in einer Art, dass man von "swing" sprechen kann. Und drittens sollte ein Jazzmusiker doch seinen eigenen Sound, seinen eigenen individuellen, unverwechselbaren Ausdruck haben. "You have to play your own shit" sagen manche amerikanische Jazzmusiker, und wenn das auch nicht sehr fein klingt, richtig ist es allemal.
Heinz von Hermann - Jahrgang 1936 erfüllt all diese Kriterien. Er spielt "straight ahead" oder auch Salsa und die hat er schon gespielt, als dieses Wort noch gar nicht in die Musikersprache Eingang gefunden hatte, damals sagte man noch Afro-Cuban oder Latin. Und er ist dabei expressiv, aber nie "verbissen". Er spielt entspannt und das ist entspannend - aber nie langweilig für den Hörer. Er spielt virtuos, aber er übertreibt seine Virtuosität nie zur Selbstzweckartistik. Er swingt "wie der Teufel" und seine Balladen klingen manchmal wie tiefe, leicht melancholische Seufzer. Die Karriere von Heinz in diesem Rahmen nachzuzeichnen, ist nahezu unmöglich. Nach dem Studium (auch Kontrabass bzw. Klarinette bei der Jazzlegende Fatty George) spielt er bis ca. 1958 in Wien, u. a. beim legendären Original Uzzi Förster. Danach ging Heinz wie auch andere Giganten unserer Szene (Koller, Drewo, Pauer, Fatty, Rettenbacher) nach Westdeutschland, war lange Zeit in Nordafrika und in Spanien (u .a. dort Zusammenarbeit mit Lee Konitz) tätig, um dann erneut in die BRD zu gehen, um diversen Big Bands (Greger, SFB, RIAS, Herbolzheimer) mit seiner außergewöhnlichen Solistik auf allen (!!) Instrumenten der Saxofonfamilie sowie mit den verschiedensten Flöten und der Klarinette "den Stempel aufzudrücken". Die Liste der Kollegen und Mitspieler, die Heinz in all diesen Jahrzehnten hatte, ist schier endlos und reicht von Herman Wilson und Coneccion Latina (das waren die ersten Salsa-Kontakte s. o.) sowie Bob Brookmeyer über Ray Brown und Clark Terry bis zu Ake Persson, Booker Ervin, Donald Byrd oder Tete Montulio. In den letzten beiden Jahrzehnten legte Heinz eine respektable Reihe von CDs in Trio – oder Quintett/Sextett – Besetzungen mit Kompagnons wie Mads Vinding, Walter Norris, Erich Bachträgl, Dusko Gojkovic, Adrian Mears, Bruno Castellucci oder Jörg Reiter vor (ungenannt Gebliebene mögen mir verzeihen). Dass Heinz auch als Arrangeur (mit speziellen Versionen der Musik Thelonious Monks, Bix Beiderbeckes oder Lucky Thompsons) und Komponist (Ground Blues, Little Peace, Triolypso, Would She Have Loved It) ebenfalls bedeutend hervorgetreten ist, versteht sich beinahe von selbst. (...) (Klaus Schulz)